Mein Opa
Es gibt Momente im Jahr, die nicht laut sind. Keine Musik, keine großen Zeremonien. Nur Stille und Erinnerung. Kleine Rituale, die mich emotional tief berühren.
Der Totensonntag ist so ein Tag für mich. Ein Tag, an dem wir über Friedhöfe gehen, die Gräber säubern, Kerzen entzünden und die Namen derer aussprechen, die uns geprägt haben.
Ich erinnere mich an die Wärme eines heißen Kakaos nach den Friedhofsbesuchen in meiner Kindheit und Jugend, an die Geschichten, die wir uns erzählen, während wir Laub von den Gräbern harkten. Geschichten über Menschen, die uns fehlen und dennoch mit uns weiterleben.
Und besonders an meinen Opa. Er starb am 19. Dezember 1997. Ja, das ist fast 30 Jahre her. Und doch vergeht kein Monat, in dem ich mich nicht frage, was er zu meinem Leben heute sagen würde. Welche seiner Worte mich wieder zum Lachen bringen würden. Welche seiner stummen Blicke mir Mut machen würden. Während ich dies hier schreibe, sehe ich sein mir sehr bekanntes Stirnrunzeln vor meinem inneren Auge. Er hätte so gar nicht gemocht, dass ich ihn hier beweihräuchere.

Nah bei unseren Wurzeln
Diese Tage von Totensonntag bis zum 1. Advent sind für mich wie ein tiefes Ein- und Ausatmen. Wir halten inne bevor wir ein neues Licht anzünden.
In slawischen und germanischen Traditionen war die Zeit zwischen Herbst und Winter eine Schwelle. Die Ahnen waren nicht nur Schatten, die man versuchte rasch zu vergessen, damit sie einen nicht an den eigenen unabwendbaren Tod erinnerten. Sie waren Wächter, Ratgeber und Beobachter.
Noch heute erkennen wir in Bräuchen wie dem Gedenken an Verstorbene, dem Räuchern von Wohnungen und dem stillen Tisch für die Toten den alten Gedanken: Wir sind nicht allein. Wir stehen auf dem Fundament, das andere gebaut haben.
Die Welt verlangsamt sich, die Tage werden immer kürzer und wir spüren intuitiv, dass das Licht bald zurück kehren wird. Aber vorher ist - Stille.
In dieser Stille rufen wir unsere Ahnen herbei. Nicht als Gespenster, sondern als Begleiter auf unserer Reise durch die Dunkelheit.

Wie ich meine Ahnen ehre
Wer mein Zuhause kennt, weiß, dass ich mit meinen Ahnen lebe. Auf einer Kommode vor einem großen Spiegel stehen Dutzende Fotos von Vorfahrinnen und Vorfahren neben kleinen Erinnerungsstücken, die von ihnen berührt wurden. Auf meinem Altar steht ein Ahnentopf, der all das bündelt, was mich trägt.
Ich forsche aktiv nach meinen Wurzeln, übertrage alte Dokumente, suche und sammle das Wissen meiner und um meine Familie um es zu bewahren und weiter zu tragen.
Denn: Wir sind Brücken zwischen früher und später.

Ritualvorschläge für Dich
Eine Kerze für Liebe, die bleibt
Zünde eine weiße Kerze für jemanden an, den Du vermisst.
Sprich seinen Namen aus. Danke ihm für das, was bleibt.
Erinnerungen halten
Nimm ein Foto oder Symbol für einen Vorfahren in Deine Hände. Verbinde Dich mit der Energie. Halte das Foto oder Symbol an Dein Herz und sprich: "Du bist Teil meines Weges."
Reinigung vor dem Advent
Bevor das neue Licht kommt, darf Altes gehen. Räuchere Dein Zuhause zum Beispiel mit Erdrauchkraut und Fichtenharz und öffne die Fenster weit. So entsteht Raum für Freude und Frieden.

Ende und Anfang zugleich
Für mich beginnt die schönste Zeit des Jahres schon Ende September mit der Vorbereitung auf den Neuanfang. Ich begutachte meine Ernte, ziehe Bilanz und lagere das, was ich behalten möchte. Erinnerungen, Erkenntnisse, Erfahrungen. Im Oktober schaue ich an, was noch nützlich für den weiteren Weg ist. Ich sortiere aus, was keinen Platz mehr in meinem Leben hat. Alter Schmerz, lieblose Beziehungen, ungenutzter Besitz. Im November verabschiede ich Altes, lasse los und kläre die Energien. Mit Rauch, Kerzen und Ritualen. Im Dezember plane ich den Neuanfang und im Januar feiere ich ihn.
Für mich gehört der Abschied genau so dazu, wie der Beginn.
In der ersten Strophe von einem meiner Lieblingsgedichte (Stufen, Hermann Hesse) heißt es:
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
So wünsche ich Dir, dass Du Hoffnung in Zeiten der Sehnsucht und Zuversicht in dunklen Zeiten findest. Und leise erinnere ich Dich daran, dass Du durch Schmerz und Kummer nicht allein in Freude und Glück zurückfinden musst. Ich bin für Dich da. Von Herz zu Herz.



