Februar 19

Von Ehre und anderen Tugenden

„Es kann die Ehre dieser Welt
Dir keine Ehre geben,
Was sich in Wahrheit hebt und hält,
Muß in dir selber leben.

Wenn’s deinem Innersten gebricht
An echten Stolzes Stütze,
Ob dann die Welt dir Beifall spricht,
Ist all dir wenig nütze.

Das flücht’ge Lob, des Tages Ruhm
Magst du dem Eitlen gönnen;
Das aber sei dein Heiligtum:
Vor dir bestehen zu können.“

Theodor Fontane

In den heidnischen Gruppen (wie zum Beispiel Hexen, Neokelten, Asatru) gibt es keine Gebote im herkömmlichen (bzw. christlichen) Sinne. Jede Gruppe bekennt sich zu klaren, eigenen Werten. Diese werden jedoch nicht mit göttlichem Strafgericht oder Belohnungen vergolten, sondern sind eine Frage der persönlichen Ehre. Auch ich gehe davon aus, dass wir uns dem Leben nur durch ehrenvolles Handeln würdig erweisen können und fühle mich den 9 Tugenden aus dem Asatru verpflichtet:

* Mut
* Wahrheit
* Ehre
* Treue
* Disziplin
* Gastfreundschaft
* Fleiß
* Eigenverantwortung
* Ausdauer

Im Prinzip geht es in diesem ebenso wie in allen anderen Wertesystemen darum, eine gemeinsame Basis zu schaffen für alle, die sich diesem Wertesystem verpflichtet fühlen. Es gehört zur Glaubenspraxis in vielen Religionen, an sich zu arbeiten, um den jeweiligen Tugenden oder Werten so nahe wie möglich zu kommen. Da der Respekt allem Leben gegenüber ein unabdingbarer Grundsatz darstellt, den alle Heiden (und auch die Asatru) vertreten, versteht es sich von selbst, dass eben diese Ideale Extremismus und Fanatismus ausschließen.

Selbstverständlich hat sich das Tugendverständnis bzw. die Definition der einzelnen Punkte mit der Zeit verändert. Und selbstverständlich definiert jeder die Worte auch etwas anders. Das finde ich aber gar nicht schlimm, sondern im Gegenteil sehr fruchtbar. Der Austausch darüber bereichert mein Leben immer wieder neu. Edred Thorsson (ein US-amerikanischer Autor, der auch viel über Runen schreibt) bemüht sich um eine moderne Bedeutung und beschreibt die Tugenden so:

  • Mut ist die Tapferkeit stets das richtige zu tun.
  • Wahrheit ist die Bereitschaft, ehrlich zu sein und zu sagen, was man für wahr und richtig hält
  • Ehre ist das Gefühl eines inneren Wertes und das Bedürfnis Respekt zu zeigen, wenn man dieser Tugend in der Welt begegnet.
  • Treue ist der Wille, zu seiner Gruppe (Familie, Freunde oder wen auch immer man als seine Gruppe bezeichnen möchte), zu seinen Göttern und auch zu sich selbst zu halten und zu stehen.
  • Disziplin ist die Bereitschaft, zu allererst zu sich selbst streng zu sein und wenn überhaupt nötig erst dann zu anderen, damit größere Ziele erreicht werden können
  • Gastfreundschaft ist die Bereitschaft, sein Hab und Gut mit seinen Gefährten zu teilen, besonders dann, wenn sie weit weg von zu Hause sind.
  • Fleiß ist der Wille, hart und effizient zu arbeiten und daran Freude zu finden.
  • Eigenverantwortung ist der Geist der Unabhängigkeit.
  • Ausdauer ist die Fähigkeit zu akzeptieren, wenn man gescheitert ist und wenn das Ziel ehrlich und gut ist, weiterzumachen bis der Erfolg errungen wurde.

Diese Tugenden entsprechen auch meinen eigenen Vorstellungen und sind damit natürlich auch Gründe, warum ich mich von den nordischen Göttern und ihren Geschichten so angesprochen fühle. Und doch habe ich meine ganz eigene Interpretation der Tugenden.

Gastfreundschaft hört zum Beispiel für mich auch nicht mit meiner eigenen Sippe auf. Schon meine Kinder haben früh gelernt, für Gäste zu sorgen. Für mich ging es dabei auch immer um Fremde und darum, was ich tun kann, damit sie sich bei mir rundum wohl fühlen. So erkundige ich mich bei meinen Gästen nach speziellen Essensregeln und obwohl ich selbst bestimmten Speisevorschriften nicht folge, sorge ich dafür, dass meine Gäste das können. Für meine jüdischen Freunde habe ich Pappteller im Schrank, weil ich weiß, dass es aus religiösen Gründen unangenehm für sie ist, von einem Teller zu essen, auf dem irgendwann einmal Schweinefleisch lag. Für meine laktoseintoleranten Freunde steht Mandelmilch auf dem Tisch. Und zum gemeinsamen Frühstück kaufe ich für Freunde die vegan leben Gemüseaufstrich ein. Nicht, weil sie mich darum bitten oder ich müsste. Nein, weil ich es möchte.

Verantwortung für sich selbst und sein Tun (und Nichttun) zu übernehmen ist für mich auch wichtig. Ich kann mit Gejammer nur schlecht umgehen. Entweder ändere ich die Situation oder, wenn das eben nicht möglich ist, mache ich das beste daraus. Für mich ist alles andere Energie- und Zeitverschwendung.

Aber auch Ehre ist mir wichtig. Für mich bedeutet das eher so etwas wie mein guter Ruf oder auch meine Würde. Ehrlich gesagt ist es mir egal, wie Fremde von mir denken. Ich richte mein Handeln vielmehr danach aus, dass es meinen Ahnen Ehre bringt, dass ich vor meinen Kindern bestehen kann und vor allem: Dass ich vor mir selbst bestehen kann.

Wenn meine Kinder und Kindeskinder über mich sprechen, wenn ich schon längst nach Walhall gegangen bin, dann möchte ich, dass sie mich mit all dem in Erinnerung behalten, was mir wichtig war. Vielleicht können sie selbst einige dieser Tugenden für sich selbst als erstrebenswert sehen. Vielleicht finden sie eigene Werte. In der Edda, einem alten Buch voller nordischer Sagen und Göttergeschichten, steht:

Geschlecht stirbt.
Sippen sterben.
Du selbst stirbst wie sie.
Doch eins weiß ich, das ewig lebt:
Der Toten Tatenruhm.

Treue ist für mich auch Loyalität. Ich verlange von meinen Freunden, dass sie mir ehrlich sagen, wenn ich mich wie ein Esel verhalte. Ich verlange aber auch, dass sie bedingungslos hinter mir stehen und mir den Rücken stärken. Bei Bedarf erwarte ich, dass sie sich vor mich stellen und Partei ergreifen. Im Gegenzug handle ich selbst genau so. Ich finde, unseren Arbeitskollegen und Geschäftspartnern sollten wir uns ebenso loyal gegenüber verhalten. Wer sich ohne weiteres abwerben lässt oder schlecht über die eigene Firma spricht, zeigt sich in meinen Augen nicht sonderlich tugendhaft.

„Die Freundschaft gehörte in der Wikingergesellschaft überhaupt zu den wertvollsten Dingen im Leben. In den Hávamál der Lieder-Edda lesen wir ergreifende Verse über einen ’Mann, den niemand liebt; was nützt ihm schon ein langes Erdendasein?’ Ihr ganzes Leben lang betrachteten es diese Menschen als eine Art kategorischen Imperativ, nicht allein zu bleiben und sich mit Freunden, Schwurbrüdern und anderen Vertrauten zu umgeben.“

Régis Boyer

Letztlich geht es für mich darum, der Welt so nützlich wie irgend möglich zu sein und ein glückliches Leben zu führen. Welche (und wie viele) Werte (oder Tugenden) Du für hilfreich hältst, bleibt Dir überlassen. Meiner Meinung nach nützen die heiligsten Gebote aber alle nichts, wenn man sie nicht ab und an übertritt. Denn nur dann werden sie hinterfragt und neu bewertet.

„Die großen Tugenden machen einen Menschen bewunderswert, die kleinen Fehler machen ihn liebenswert.“

Pearl S. Buck

Stefanie Gralewski

Über die Autorin

Ich bin Stefanie Gralewski und das hier ist mein Blog. Es ist kein Anleitungsblog, nicht gefüllt mit Weisheiten oder weltbewegenden Themen. Ich teile hier meine Gedanken, Ansichten und Ideen mit dem, der es lesen möchte. Mein Alltag ist zuweilen anstrengend, magisch, nachdenklich, lustig – aber immer voller Neugier auf das Leben.

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