Juli 8

Von der Hölle, die keine ist

In einem vorherigen Blogartikel schrieb ich, dass ich pro Woche etwa 10 Emails und Briefe bekomme, in denen mir angedroht wird, dass ich in die Hölle käme, wenn ich mich nicht zum „einzig wahren Gott“ bekehren würde. Daraufhin wurde ich ein paar Mal gefragt, ob ich denn an eine Hölle glaube. Ich denke, das ist eine gute Frage für einen Blogartikel, in dem ich mal wieder meine Sicht der Dinge schildern möchte.

Laut Wikipedia ist die Hölle “ … nach den Auffassungen zahlreicher Religionen ein unwirtlicher, jenseitiger Ort der Bestrafung für, dem jeweiligen Glauben als verboten geltende, im Diesseits begangene Taten. Je nach Glaubensauffassung wird sie als Ort der Vernichtung, der Läuterung oder der ewigen Verdammnis des Verstorbenen gedacht. Nach traditionellen Vorstellungen des Christentums ist sie ein Ort der Qual, an welchen Übeltäter nach dem Tod gelangen, bevölkert von Dämonen und dem Teufel.“

Sprachlich leitet sich das Wort „Hölle“ von „Hel“ ab. Hel ist die germanische Göttin der Unterwelt. Mit der Hölle – wie wir sie heute vor Augen haben, hat Hel (manchmal wird auch die germanische Unterwelt Helheim als Hel bezeichnet) jedoch nichts zu tun. Werfen wir doch mal einen Blick in die germanische Mythologie:

Hel ist die Tochter Lokis (der später zwar zum Geschlecht der Asen zählte, eigentlich aber ebenfalls ein Riese ist) und der Riesin Angrboda. Loki war Odins Blutsbruder, sie waren beste Freunde. Irgendwann litt Odin plötzlich unter starken Alpträumen und Visionen. Er befürchtete, dass Lokis Kinder (Hel, Jörmungand und Fenrir) für Ragnarök – den Weltuntergang – verantwortlich sein würden. Also verbannte Odin kurzerhand die Kinder aus Asgard – gegen Lokis erbitterten Widerstand. Man sagt, hier bekam die Freundschaft zwischen Odin und Loki die ersten bleibenden Risse. Jörmungand wurde von Odin noch jung ins Meer geworfen. Hier versank sie und wurde zur Midgartschlange, die die 9 Welten umgibt. Fenrir wurde durch eine List an den Mond gekettet. Hel wurde ins Ginnungagap (dem Nichts) geworfen. Dort schuf sie die Unterwelt, das Totenreich. Hier begrüßt sie fortan alle, die an Altersschwäche oder Krankheit versterben. Hel heißt die Toten herzlich willkommen und es heißt, alle würden zusammen bis zum Ragnarök speisen und trinken und feiern.

Kleiner Spoiler: Sowohl Jörmungand, Hel und Fenrir haben direkt mit Ragnarök zu tun, sie lösen das Weltenende sogar aus. Es stellt sich die Frage: Hätten sie das vielleicht nicht getan, wenn Odin sie nicht so schlecht behandelt hätte? Wurden sie vielleicht nicht erst durch den Betrug und die Verbannung wütend auf die Asen? Hier kommt mir ein Zitat aus dem Pixar-Animationsfilm „Kung Fu Panda“ in den Sinn:

„Das Schicksal ereilt Dich oft auf dem Wege, auf dem Du ihm zu entgehen versuchst.“

Master Oogway

Später, als das Christentum sich nach Norden ausbreitete, wurde Helheim zu einem trostlosen Ort, an dem Menschen große Qual erleiden. Hier ist die christliche Ansicht der Hölle ablesbar. Denn zuvor war Helheim ein warmer, fröhlicher Ort, an dem man sich geborgen fühlte und seine Ahnen auf einen warteten. Erst die christlichen Missionare brachten die Gräuelgeschichten mit in den Norden, wo sich dann alles miteinander vermischte.

Doch wie sehe ich das denn nun? Für mich ist die Hölle das, was Nossrat Pesechkian (ein persischer Arzt und Psychotherapeut) beschrieb:

„Einst kam ein Mann zum Propheten Elias. Ihn bewegte die Frage nach dem Himmel und Hölle, wollte er doch seinen Lebensweg bewusst gestalten.
Da nahm ihn der Prophet bei der Hand und führte ihn durch dunkle Gassen in einen großen Saal, wo sich viele ausgemergelte Gestalten um die Feuerstelle drängten. Dort brodelte in einem großen Kessel eine köstlich duftende Suppe. Jeder der Leute besaß einen gusseisernen Löffel, der so lang war wie er selbst. Der Löffel war aufgrund seiner Größe zu schwer, um allein damit die Suppe zu schöpfen, und zu lang, um damit Nahrung zum Mund führen zu können. So waren die Menschen halb wahnsinnig vor Hunger und schlugen aufeinander ein vor Wut. Da fasste Elias seinen Begleiter am Arm und sagte: ‚Siehst du, das ist die Hölle!‘
Sie verließen den Saal und traten bald in einen anderen. Auch hier waren viele Menschen. Auch hier wieder ein Kessel Suppe. Auch hier die riesigen Löffel. Aber die Menschen waren wohlgenährt, und man hörte in dem Saal nur das zufriedene Summen angeregter Unterhaltung. Männer und Frauen hatten sich zusammengetan. Einige tauchten gemeinsam die schweren Löffel ein und fütterten die Gegenübersitzenden. Umgekehrt geschah es ebenso. Auf diese Weise wurden alle satt. Und der Prophet Elias sagte zu seinem Begleiter: ‚Siehst du, das ist der Himmel!'“

Die Unterwelt ist für mich ein freundlicher Ort, an dem die Toten ausruhen können. Wenn der Tag meiner Reise dorthin gekommen ist, treffe ich dort meine Ahnen und werde bis zum Ragnarök fröhlich trinken und feiern. Das finde ich tröstlich und gibt mir Kraft, mit dem Tod und der damit verbundenen Trauer umzugehen.

Wie siehst Du das?

Stefanie Gralewski

Über die Autorin

Ich bin Stefanie Gralewski und das hier ist mein Blog. Es ist kein Anleitungsblog, nicht gefüllt mit Weisheiten oder weltbewegenden Themen. Ich teile hier meine Gedanken, Ansichten und Ideen mit dem, der es lesen möchte. Mein Alltag ist zuweilen anstrengend, magisch, nachdenklich, lustig – aber immer voller Neugier auf das Leben.

  • Hallo liebe Stefanie Gralewski,
    daß Beispiel mit der Hölle ist klasse.
    Wir haben es vor einigen Jahren mit den Kommunionkindern nachgespielt. In dem Kessel waren zwar Gummibärchen aber die Kinder haben verstanden um was es geht .
    Danke für die schöne Erinnerung!
    Liebe Grüße Ruth

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