April 20

Nicht unbedingt mein Lieblingswort: Geduld

Meine liebste Technikelfe Sara Menzel-Berger hat zu einer Blogparade aufgerufen, die kein besseres Timing in meinem Leben haben könnte. Die Blogparade dreht sich um das Thema Psychische Gesundheit im Online-Business und während ich diesen Blogartikel schreibe (nach über einem Jahr Blogpause), merke ich, dass er sehr besonders wird. Weil es heute einmal nicht um Rituale und Magie geht. Dies ist eine Einladung an Coaches, BeraterInnen, Menschen mit einem Online-Business und auch deren KundInnen. Eine Einladung dazu, Geduld wieder als erstrebenswerte Tugend zu sehen. Ich bin nämlich überzeugt davon, dass psychische Gesundheit ganz viel mit Geduld zu tun hat. Geduld, die vielen von uns in den letzten Jahren immer mehr fehlt.

Blogparade „Psychische Gesundheit“

Drehen wir die Uhr mal um einige Wochen zurück. Kurz nach meinem 40. Geburtstag wird klar, dass ich die Corona-Welle mit reiten werde. Ich habe mich mit Covid-19 angesteckt. Und Ende März ahne ich noch nicht, wie sehr mich diese Situation prüfen wird. Den Göttern sei Dank, dass ich nicht ins Krankenhaus musste. Dennoch hat es mich ordentlich geschüttelt. Ich habe drei Wochen nicht arbeiten können. Drei Wochen! Die Selbständigen unter Euch werden vermutlich die atmosphärische Spannung, das leichte Donnergrollen in der Ferne hören. Drei Wochen! 21 Tage, an denen ich keine Termine vereinbaren oder wahrnehmen kann. 504 Stunden, in denen die Teilnehmer in meinem Jahresprogramm nicht betreut werden können. 30204 Minuten kein Warenversand, drei Wochen keinen Kundenkontakt. Drei Wochen!

Eigene Bedürfnisse oder fremde?

Ich, das Arbeitstier war überhaupt nicht in der Lage zu arbeiten. Und glaub mir: Ich habe es versucht. Völlig kraftlos, mit laufender Nase und nahezu gänzlich ohne Konzentrationsvermögen saß ich am Schreibtisch und versuchte, die Emails zu beantworten. Mit mäßigem Erfolg. Weil ich keine Energie in meine Arbeit geben kann, wenn ich selbst keine habe. Auch wenn mir das schnell klar wurde, konnte ich mich nicht entspannen.

Meine Kunden brauchen mich doch. Ich will für sie da sein. Während ich also im Bett saß, mit dem Laptop auf dem Schoß zum xten Mal versuchte eine Emailantwort an eine Kundin zu verfassen, kam mir ein Satz von einer wundervollen Freundin in den Kopf. Benita Königbauer (sie nimmt übrigens auch an dieser Blogparade teil) sagte einmal zu mir: „Deine Kunden haben das Anrecht darauf, die bestmögliche Steffi zu bekommen!“ Ehrlich gesagt, die bestmögliche Steffi war ich in diesem Moment nicht. Also klappte ich den Laptop zu und schloss Frieden mit der Situation.

Natürlich gab es auch Emails oder Nachrichten auf dem Anrufbeantworter: „Hast Du mich vergessen?“ „Ich warte schon seit 3 Tagen auf meine Bestellung!“ „Ich habe gestern schon mal angerufen! Warum meldest Du Dich nicht zurück?“ Auch via Messenger und über die sozialen Netzwerke. Die habe ich zum Glück erst registriert, als es mir deutlich besser ging, meine Energiereserven wieder aufgefüllt waren und ich mir ganz klar war: In meinem Leben geht es zu allererst einmal darum, mich selbst gut zu versorgen.

In meinen Beratungen frage ich meine KundInnen, die nicht gut auf sich achten: „Bist Du schon einmal mit dem Flugzeug geflogen? Kennst Du die Sicherheitshinweise vor dem Start? Weißt Du, warum es wichtig ist, bei einem Druckabfall die Sauerstoffmaske zuerst sich selbst aufzusetzen?“ Weil es nämlich nichts nutzt, wenn Du der quengeligen Person neben Dir beim Aufsetzen der Sauerstoffmaske hilfst, Du danach aber selbst in Ohnmacht fällst und überhaupt niemandem mehr helfen kannst. Du und Deine Energiereserven sind die absolute Basis für all das, was Du tust.

Und dann knallt es!

Wenn die Energiereserven über längere Zeit nur wenig aufgefüllt werden, braucht es nur einen kleinen Funken, der das Pulverfass zur Explosion bringt. Viel Arbeit, Anspannung zu meinem runden Geburtstag, besonderes Engagement in der Schule des Kindes und dazu viel zu viel Arbeit. In dem Moment, wo endlich aller Stress abfiel, warf es mich gesundheitlich völlig aus der Bahn.

Interessanterweise ist das bei mir immer so: Wenn eine große Belastung zu Ende geht, werde ich krank. Das fand ich früher ganz seltsam. Inzwischen weiß ich, dass das ganz normal ist.

Während wir unter Hochspannung stehen, achten wir nicht auf unsere Energie oder unser Immunsystem. Wir betreiben Raubbau an unserem Körper, sind aber so im Außen beschäftigt, dass wir das nicht merken. Ein immens hoher Adrenalinspiegel hält unser Abwehrsystem am Laufen. Fällt die Anspannung endlich ab, sinkt unser Adrenalinspiegel. Unser Immunsystem liegt völlig am Boden. Klar haben dann Viren und Bakterien leichtes Spiel. Und zack! Sind wir krank.

So ging es mir auch.

Erkenntnis kann heilsam sein

Ich habe also geschlafen, gelesen, gestrickt – den ganzen Tag. Es fiel mir überhaupt nicht leicht. Aber ich wusste, dass es wichtig ist und wenn ich mich nicht für einen Moment zur Ruhe zwinge, es mit mir kein gutes Ende nehmen würde.

Meine Fantasie ist durchaus in der Lage, sich vorzustellen, wie ein Burn Out sein könnte. Ich hab es mir während ich im Bett lag oft vorgestellt. Das war nicht schön. Es hat mir Angst gemacht. Aber diese Gedanken waren wichtig. Augenöffnend. Sie waren wichtig, mir zu zeigen, was ich auf keinen Fall will. Nämlich so kraftlos werden, dass ich für niemanden mehr da sein kann. So erschöpft zu sein, dass ich nicht mehr schreiben kann. So müde zu sein, dass ich nicht mehr beraten kann.

Und ja, mir wurde auch noch einmal klar, was ich will. Ich will für meine Kunden da sein. Ich möchte Frauen unterstützen, wieder zu eigener Stärke zu finden. Aber das kann ich nur, wenn ich auch Kraft dazu habe. Ich hab mir vorgenommen, wieder achtsam mit mir zu sein und gleich damit angefangen, Regenerationsphasen und Pausen in meinen Kalender einzutragen. Täglich.

Jedes Werden in der Natur, im Menschen, in der Liebe muss abwarten, geduldig sein, bis seine Zeit zum Blühen kommt.

Dietrich Bonhoeffer

Wenn ich nun reflektiere, wie es überhaupt zu einem so starken Energiedefizit kam, sehe ich es deutlich: Ich war nicht geduldig genug. Und wir mir geht es vielen Menschen. Ich habe das Gefühl, dass die Ungeduld in den letzten Jahren stark gewachsen ist. Alles muss sofort geschehen. Dubiose Anbieter versprechen ein „100k – Business in 10 Tagen“ oder „Dein Wunsch erfüllt sich sofort“ oder aber auch, dass Du „in wenigen Tagen das Leben Deiner Träume manifestieren“ kannst.

Vor kurzem kam eine Frau zu mir und sagte: „Ich bin jetzt auch selbständig. Ich mache eine Woche lang Werbung und habe trotzdem erst zwei Termine gehabt. Warum bin ich noch nicht ausgebucht, so wie Du?“ Ich habe 20 Jahre dafür gearbeitet, dass es bei mir jetzt so ist, wie es ist.

Wir warten nicht mehr darauf, dass der Lieblingsfilm im Fernsehen ausgestrahlt wird, sondern streamen ihn, wann immer wir wollen. Auch im Winter stehen Erdbeeren in den Supermärkten, damit wir nicht warten müssen, bis sie Saison haben. Jemand ist jemandem begegnet, der vielleicht als Lebenspartner in Frage kommt. Er bemüht sich nicht sofort oder meldet sich nicht schnell genug? Weg mit ihm! Wir sehen ein tolles handgemachtes Produkt im Internet. Aber 2-3 Wochen darauf warten? Dann doch lieber schnell mit Same-Day-Lieferung! Oder könnte es nicht auch anders gehen? Macht die Vorfreude, das auf etwas Hinarbeiten nicht einen großen Teil unserer psychischen Gesundheit aus?

Geduld…

Ich bin fest davon überzeugt: Lernen wir das Warten, stabilisiert sich unser Leben. Es braucht Geduld für die Business-Entwicklung. Rom wurde auch nicht an einem Tag aufgebaut, sagt man. Warum dann unser Business? Was spricht gegen eine gute Basis, die man sich langsam aufbaut? Was spricht dagegen, sich über Jahre eine stabile und loyale Community aufzubauen? Ich lade Dich ein, Dein Wachstum zu genießen. Beobachte, wie ein Projekt sich entwickelt, wie es langsam aufblüht und dann erste Früchte trägt.

Wir brauchen Geduld mit unseren Fehlern. Unsere Fehlschläge sind oft erfolgreicher als unsere Erfolge, sagt man. Warum haben wir dann so große Angst davor? Im Coaching, speziell im NLP, geht man davon aus, dass jeder Mensch zu jedem Zeitpunkt in seiner Wahrnehmung der Möglichkeiten die beste aller Alternativen wählt. Wir treffen also in jeder Situation die richtige Entscheidung. Mit weiteren Informationen erkennen wir manchmal, dass die Entscheidung nicht zum richtigen Ziel geführt hat. Wir haben uns verfahren. Ich lade Dich ein, den Umweg bewusst wahrzunehmen. Freu Dich, neue Gegenden und neue Möglichkeiten zu entdecken.

… mit anderen …

Natürlich braucht es auch Geduld mit unseren KundInnen. Das meiste, das wir lernen, lernen wir von unseren Kunden, sagt man. Warum fehlt dann das Verständnis für die Wahrnehmung der KundInnen? Klar, das Problem ist nicht eben erst entstanden. Aber jetzt, wo die KundInnen das Problem benennen können, brauchen sie eine Lösung. Unsere KundInnen wissen nicht, dass unser Postfach überquillt, dass die Kinder krank sind oder ein großer Kunde nicht bezahlt hat. Wie auch? Wenn in unseren Social Media Kanälen nur eitel Sonnenschein herrscht? Ich lade Dich ein, offen zu Deinen KundInnen zu sein. Sprich an, was gerade nicht passt und was Du Dir wünschst. Eine Kundenbeziehung ist keine Einbahnstraße. Sie verlangt Vertrauen und Aufrichtigkeit von beiden Seiten.

Und ja – auch unsere KundInnen brauchen Geduld. Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht, sagt man. Warum muss ein Dienstleister dann sofort und umgehend antworten? Warum möchte man von seinem Chef nach Feierabend oder am Wochenende keine „sofort erledigen“ – Aufgabe geschickt bekommen, die bitteschön in der Freizeit erledigt und daher natürlich nicht bezahlt wird? Wenn man doch sowieso gerade online ist? Im gleichen Atemzug ist es aber okay, einem Berater (Coach, Dienstleister etc.) am Freitag um 21 Uhr eine Nachricht über den Messenger zu schicken: „Kannst Du eben mal kurz gucken / hineinspüren?“ Selbstverständlich ohne anschließende Rechnung, dauert doch nur 5 Minuten. Ich lade Dich ein, achtsamer mit Deinen Geschäftspartnern zu sein. Auch sie müssen auf ihre psychische Gesundheit achten. Du könntest sie fragen, wann sie erreichbar sind oder wann Du mit einer Bearbeitung Deiner Anfrage rechnen kannst. Du könntest aber einfach auch abwarten.

… aber auch mit uns selbst!

Und vor allem brauchen wir für uns selbst Geduld. Nichts bringt uns auf unserem Weg besser voran, als eine Pause, sagt man. Warum sprechen wir dann davon, uns eine Pause zu gönnen? So als wäre das ein Luxus? Etwas, was man sich erarbeiten oder verdienen müsse? Wie wäre es, wenn wir stattdessen unsere Arbeitszeit durch angemessene und erholsame Pausen verdienen müssten? Wir sind nur durch Regeneration leistungsfähig. Ohne Regeneration sind wir unproduktiv. Ohne Regeneration werden wir kraftlos, mutlos, motivationslos. Ich lade Dich ein, Pausen ganz selbstverständlich einzuplanen. Pausen, die auch wirklich Pausen sind.

Nun liegt es an Dir! Wie wäre es, wenn Du jetzt sofort eine Pause machst? Einen klitzekleinen Spaziergang, einen kleinen Moment des Nichtstuns, das Lieblingslied anhören, die Nase in die Sonne halten? Und nein, schimpf Dich nicht, wenn es Dir noch nicht sofort gelingt. Sei geduldig mit Dir. Und wenn Du glaubst, dass Du es allein nicht schaffst, dann bin ich an Deiner Seite. Dann gehen wir den Weg gemeinsam. Wenn Dein Weg gerade holprig ist, dann kannst Du Dich an mir fest halten. Denn ich weiß, wie Du Dich fühlst. Glaub mir, ich weiß es.

 

Ich glaube, dass die Ungeduld, mit der man seinem Ziele zueilt, die Klippe ist, an der oft gerade die besten Menschen scheitern.

Friedrich Hölderlin

Stefanie Gralewski

Über die Autorin

Ich bin Stefanie Gralewski und das hier ist mein Blog. Es ist kein Anleitungsblog, nicht gefüllt mit Weisheiten oder weltbewegenden Themen. Ich teile hier meine Gedanken, Ansichten und Ideen mit dem, der es lesen möchte. Mein Alltag ist zuweilen anstrengend, magisch, nachdenklich, lustig – aber immer voller Neugier auf das Leben.

    • Ja liebe Margit, die Benita ist überall 🙂 Vielen lieben Dank für Deinen Kommentar. Deinen Blogartikel habe ich gleich gelesen und finde ihn wunderbar!
      Zauberhafte Grüße,
      Steffi

  • Liebe Steffi,

    danke für deinen so berührenden Beitrag. Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll, weil so vieles, das du beschreibst, mir total aus dem Herzen spricht. Und ja, ich darf auch geduldiger werden – geduldiger mit mir selbst und meinen Mitmenschen. Geduld ist überhaupt nicht mein Fall und wie du schreibst passieren oft durch Ungeduld Fehler oder es gibt Konsequenzen, die zu vermeiden gewesen wären. Da darf ich noch üben.
    Danke für deine erhellenden Worte!

    Alles Liebe,
    Sara

    PS: Wunderbar, dass es dir wieder gut geht <3

    • Liebe Sara, vielen Dank für Deine lieben Worte! Und vielen lieben Dank, dass Du dieses wichtige Thema mit Deiner Blogparade aufs Tablett gelegt hast!
      Zauberhafte Grüße,
      Steffi

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